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Buckelvolvo Story: Mit der "Arche" durch die Apocalypse

01.02.2021

Diesen interessanten Bericht über seinen Volvo PV mit einer spannenden Story stellte uns Detlev Lehmann zur Verfügung. Viel Spaß beim Lesen!




Zuerst ein paar Infos zu uns:

Ich bin Detlev Lehmann, geboren 1953, aufgewachsen im Westberlin der Nachkriegs- und Mauerzeit. Schon früh zeigte sich bei mir eine gewisse Begabung was das Gestalten anging. Ich war immer am kritzeln oder am irgendwas basteln. Das wurde mit der Zeit nicht besser und so blieb mir keine andere Wahl, als einen kreativen Beruf zu wählen. Ich habe dann Graphik- Design studiert, aber zu meinem Job als Airbrusher bin ich über die Farbgestaltung meiner umgebauten Honda CB 500 Four gekommen. Nachdem ich diese mit der Spraydose und selbstgeschnittenen Schablonen aus D-Ce-Fix Folie mit Motiven versehen hatte, kamen die Motorradkumpels und wollten auch etwas in der Art. Schnell lernte ich dazu, schaffte mir Spritzpistolen und eine Airbrush an, was zur Folge hatte, dass mein Vater seine zur Lackierkabine umfunktionierte Garage für Jahre nicht mehr benutzen konnte (danke Vater!).

Die entscheidende Wendung kam dann aber 1978, als ich eine nette Motorradfahrerin kennenlernte, die ihre brandneue Honda CB 400 Four umgestalten wollte und auch schon ein paar Ideen hatte. Das einfachste für sie war wohl, sich den Schrauber und Airbrusher einfach anzulachen. Diese Frau war Marianne Munzel und sie ist bis heute meine Gefährtin und Muse. Zusammen hatten wir die tollsten Einfälle und was noch viel besser war, viele davon nahmen auch Gestalt an. Unsere Hondas haben wir noch heute.

Der zweite wichtige Schritt war dann, als ihre Mutter einen Schweden kennenlernte. Damit war der Weg Richtung Buckel frei, denn die wollte damals in Schweden kaum einer mehr haben. Unser erster war 1980 ein 544 von 1960, ein Scheunenfund für gut 1000,- DM. Der war zwar eine Grotte, aber im Winter einfach großartig (im Sommer fuhren wir ja weiterhin nur Motorrad). Außerdem war er leicht zu reparieren und wir hatten definitiv Blut geleckt. Erste Kontakte in die sich langsam bildende Volvoszene führten dann 1982 zum Erwerb der Basis für den Umbau zu unserer "Arche".

Der ist auch ein PV 544 A Baujahr 1960, gekauft in Schweden aus Erstbesitz und wir fuhren ihn zwei Jahre im Originalzustand. Er zeigte dann aber doch deutliche Bißspuren vom Zahn der Zeit und Ende '84 war dann der Beginn einer Restaurierung geplant. Ja, wir dachten anfangs nur an eine Aufarbeitung im weitgehenden Originalzustand. OK, eine Zweifarblackierung und vielleicht ein Haubengemälde waren schon angedacht, immerhin war ich ja Airbrusher.

Ich arbeitete damals mit der Lackiererei Bolle in Berlin Neukölln zusammen und so waren die Möglichkeiten zum Umbau deutlich besser als in Vaters Garage. Der Buckel war zwar doch schon ziemlich rostig, aber es hatte noch niemand dran rumgepfuscht. Nachfolgend die durchgeführten Änderungen, wobei uns viele Ideen erst beim Machen kamen.


Karosserie:

Bis auf's Blech abgeschliffen, zu schweißen waren die hinteren Kotflügelaufnahmen, die Enden der Schweller, die Türunterseiten, die Werkzeugmulde und die U- Profile über der Hinterachse. Insgesamt überschaubar. Alle Kanten wurden sandgestrahlt, die ersetzten Türunterteile und die Frontmaske zinkflammgespritzt, alle Reparaturschweißnähte mit Zinn egalisiert, grundiert mit Epoxy-Primer, nach dem Grobspachteln literweise Spritzspachtel über dem Auto verteilt und geschliffen, geschliffen, geschliffen!

Vier neue Kotflügel (gab's damals noch bei Volvo!) provisorisch montiert, einen Frontspoiler aus Aluminium getrieben (war auch mit dem TÜV abgesprochen), Tankdeckel samt Mulde aus einer damals aktuellen S-Klasse mit Heckschaden geschnitten, an passender Stelle in den Kotflügel eingebaut und mit Zinn der Rundung angepasst. Der Einfüllstutzen des Tanks wurde entsprechend verkürzt.

Für die Schalthebelrückverlegung den Kardantunnel abgeändert (den Overdrive haben wir erst später eingebaut), Halterungen für die neue Rückbank angefertigt, ebenso Rahmen für die Schalensitze.

Nach Abschluß aller Arbeiten haben wir noch Alu- Innenkotflügel von Lokari montiert. Das Beste was man seinem Oldtimer antun kann.


Lackierung:

Eigentlich sah unser grobes Konzept (ja wir hatten eins, wenn auch nicht viel davon übrig blieb) vor, dass der Wagen grün und hübsch werden sollte- den Innenraum und den Unterboden hatten wir schon dunkelgrün lackiert- und dass auf Hauben und Türen Motive entstehen sollten. Für diese hatte ich schon zwei Din A4 Blätter mit Skizzen angefertigt, wo schon einige der Charaktere vorkamen. Das Thema war so etwa "unser Planet nach uns, nun endlich friedlich", die einzelnen Bilder wollte ich dann vor Ort improvisieren, so arbeitete ich immer am liebsten. Da war dann das Problem des Übergangs vom Motiv in die Lackfläche, das man durch einfaches Fading bewerkstelligen kann, aber ich dachte mir, ein Rahmen aus Blättern würde sich natürlich im Grün verlieren können. Als ich mit dem skizzieren der Blätter zum Spaß einfach weitermachte bis zum nächsten Bild, fanden wir den Eindruck toll und entschieden uns, einfach alle grünen Flächen mit Blättern zu bedecken. Au Mann, mein Rücken schmerzt noch heute wenn ich an das Dach denke!

Kaum 186 Stunden vergingen und schon war ich mit allem fertig (jede Stunde wurde gezählt, weil ich ahnte, welche Frage man mir später stellen würde). Den Klarlack trugen wir sektionsweise auf, um die schon fertigen Motivteile zu schützen, weil alles ca. 6 Wochen dauerte. Nach dem letzten Lackiergang folgten ein Zwischenschliff mit 800er Papier und weitere 3 Schichten Klarlack. Ingesamt 11 Liter Klarlack wurden verbraucht, was unsere Menge an eingesetzten Lackmaterialien auf knapp 60 l brachte (das meiste davon haben wir aber wieder abgeschliffen).



Motor und Antrieb:

Da wir uns, aus welchen Gründen auch immer, dazu entschieden hatten, wirklich alles anders zu machen als der Mainstream-Buckelschrauber, blieben wir beim B 16. Im Original ein B 16 A, bauten wir um auf B 16 B mit 2 SU H4 Vergasern und passender Nockenwelle sowie erhöhter Verdichtung. Seit 2012 verhilft ein elektronischer 123 Zündverteiler der Maschine zu einem nie dagewesenen stabilen Leerlauf. Der Fächerkrümmer ist ein Eigenbau aus Edelstahl. Getriebe vom Amazon, M41 mit Overdrive, gekürzte Schalthebelrückverlegung vom 140er und HInterachse mit kürzerer Übersetzung (4,56 : 1 statt 4,10 : 1). Drahtspeichenräder mit Zentralverschlussadapter MWS Dunlop 5 1/2 Jx15, Spurverbreiterung insgesamt 60 mm, Reifen 195/60 15. Vorne Spax Dämpfer, hinten Monroe Load Levellers mit Niveaulift, eigentlich für einen Opel Rekord E Caravan.

Die Elektrik wurde auf 12 V umgebaut, d.h. den Anlasser mit Teilen von einem B18 Anlasser gekreuzt, Drehstromlichtmaschine 55A aus einem VW Passat eingepasst (Halterung selbst gebaut, als Keilriemenspanner fungiert nun ein Wantenspanner aus Edelstahl, jeder TÜV- Prüfer war begeistert von der Idee). Ein elektrischer Lüfter vor dem Kühler sorgt jetzt auch im Stau für Abkühlung. Eine Zweite Batterie ist unter der Rückbank, mit 300A Schaltschütz der vorderen zuzuschalten. Die Bündelung der Zündkabel in einem Rohr hatte ich mir bei einem Bugatti abgeschaut. Die Hebelei hinter dem Lenkrad ist vom VW Polo der ersten Serie und passte nach leichtem Aufschleifen. Die Holzoptik habe ich aufgetragen.

Die vorderen Blinker haben wir, wie unschwer zu erkennen ist, von einem 164er übernommen. Wir hatten mal einen als Winterauto (eine absolut tolle Kiste übrigens) und mir fiel auf, dass die Rückseite der Blinker genau dem Bogen der Buckelkotflügel in Stoßstangenhöhe entsprach. Da sie auch viel lichtstärker als die Buckel- Eierbecher sind - das separate Standlicht sieht auch schick aus- machten wir einfach kein Loch in die neuen Kotflügel und klemmten die Blinker auf die Stoßstange.

Ein elektronisches Onboard- Ladegerät wird, wenn man den Stecker an eine Steckdose anschließt, per Relais mit der Batterie verbunden. Wir dachten damals schon an die Winter- Standzeiten und auf Shows ging einem so auch nicht der Strom aus. Insgesamt wurden über 900m Kabel verbraucht, kein Teil des original Kabelbaums blieb übrig. Glücklicherweise hatten wir für diese Aufgabe meinen Bruder und unseren Freund Alex, denn von Elektrik verstehe ich nicht wirklich was.


Innenraum:

Ursprünglich hatten wir nur vor, ein 38cm Momo Holzlenkrad einzubauen. Das gab's als Zubehör für den 740er und wir hatten das OK unsreres TÜV- Ingenieurs für unsere selbstkomponierte Nabe. Schalt- und Handbremsgriff wollten wir aus Holz machen und einen Furnierstreifen auf's Armaturenbrett kleben. Doch dann entdeckten wir im Zuge der Restaurierung dass man das Original- Armaturenbrett einfach so rausschrauben konnte. Wir entschieden uns dann komplett aus Holz mit einer Unterkonstruktion aus Aluprofilen neu zu bauen (gut dass wir nicht wussten, worauf wir uns da eingelassen hatten).

Das Holz ist Mahagoni (so nebenbei hatte ich auch schon früher Möbel gebaut und Vaters Hobby- Holzwerkstatt war enorm hilfreich). Das hatten wir sehr preiswert bei einer Tischlerei abgestaubt, Reste vom Treppenbau die dort abfielen. Insgesamt fertigten wir 44 Teile an, von komplexen, in drei Ebenen zu bearbeitenden Formstücken bis zu einfachen Knöpfen für die Sitzverstellung. Mehr als 500 Stunden vergingen bis alles passte und nicht alles ging problemlos, um es mal freundlich auszudrücken! Die Oberflächen wurden dann in 6 Arbeitsgängen mit Bootslack lackiert. Alle Teile werden mit Edelstahl Inbusschrauben M5 und M6 zusammengehalten, sodass man nur 2 Schlüssel zum Zerlegen braucht. Auf eine unsichtbare Befestigung haben wir aus praktischen Gründen verzichtet.

Die Mittelkonsole ist durch eine Edelstahljalousie zu verschließen. Durch die Konsole war auch die Verlegung des Schalthebels nötig und die Motorhaubenverriegelung wird jetzt elektrisch durch einen Scheibenwischermotor bewerkstelligt. Dazu auch die zweite Batterie unter der Rückbank, denn wie bekommt man die Haube auf, wenn die Batterie im Motorraum platt sein sollte?

Eine Zentralverriegelung aus dem Zubehörmarkt hielten wir auch für nötig (es war gar nicht so einfach, die Buckel- Türmechanik passend umzurüsten). Elektrische Fensterheber vom 240er waren schon leichter zu adaptieren.

Die Schalensitze mit vorklappbaren Rückenlehnen sind ursprünglich von Recaro und stammten aus einem Mini Cooper, der sich überschlagen hatte. Die Rückbank mit einzeln vorklappbaren Rückenlehnen spendete ein Ford Capri II (der mit der Heckklappe). Jetzt kann man doch tatsächlich vom Kofferraum aus nach innen durchladen, wie modern. Apropos Kofferraum, die leidige Kofferklappenarretierung wurde durch eine Gasdruckfeder ersetzt, man hat jetzt viel weniger Beulen auf der Stirn.

Sicherheitsgurte mit Aufrollautomatik und verdeckten Rollen wurden vorne wie hinten eingebaut. Leider gab es die damals nur in Schwarz.

Nicht unerwähnt bleiben sollte noch, dass mehr als 50 Teile beim Verchromer landeten, die Stoßstangen natürlich, aber auch die inneren Türfensterrahmen und die A- Säulen Abdeckungen. Irgendwie mögen wir wohl Chrom.

Die Polster wurden komplett neu bezogen mit beigem und braunem Montara, einem Polsterstoff. Da meine Marianne in der Schule nähen gelernt hatte und außerdem eine Nähmaschine besaß, übernahm sie die Aufgabe. Sie lief hier wirklich zur Höchstform auf, wie auch schon bei der Holzbearbeitung so manches Teil von ihr bearbeitet wurde. Immer wenn beim Schleifen meine Hände zu groß waren, war Marianne zur Stelle, wie sie auch die die gesamte Umbauphase über weit mehr als nur moralisch unterstützend war. Das Auto ist wirklich unser Baby!

Die Bauzeit vom Zerlegen bis zum TÜV- Termin war von Januar '85 bis Anfang August '87, einige längere Pausen traten ein, weil wir zwischendurch auch mal die Schnauze voll hatten. Gut 1800 Stunden lagen hinter uns, als am 26.8.1987 die Wiederzulassung erfolgte, und nein, wir sind nicht beim ersten mal durchgekommen, weil die neuen Bremsen schiefzogen. Aber einen schönen Auftritt haben wir da schon hingelegt, sogar aus den Büros wollten die Leute unter den Wagen.


Viele Sachen waren damals noch nicht fertig und wurden erst später nachgeholt. So hatten wir Anfangs mit Blättern bemalte Kronprinzfelgen drauf, die Speichenräder folgten erst zum Auftritt auf der Bilsport Custom Motorshow in Jönköping Ostern '88. Die neue Hinterachse und der Overdrive kamen 1990 dazu. Der Auspuffkrümmer wurde nach mehreren gebrochenen Originalteilen 2007 anlässlich einer grossen Motorüberholung in Angriff genommen und die bisher letzte Maßnahme war der Ersatz der beim Umbau verwendeten schwarzen Gurte durch beigefarbene.

Einige interessante Erfahrungen machten wir während des Bauens und auch danach. Als wir Freunden aus der Volvoszene anfangs von unserem Vorhaben erzählten, hörten wir oft:"Wollt ihr ihn versauen?" Die, die die Plackerei beim Umbau mitbekamen, wechselten eigentlich alle auf unsere Seite, auch wenn sie nicht nachvollziehen konnten, was wir da trieben. Doch im Volvoclub Deutschland war die Ablehnung teilweise offensichtlich. Es war uns klar, dass die Arche polarisieren wird, doch die Arroganz der Originalitätsfraktion ist hierzulande einfach viel größer als in anderen Ländern. Wenn hier Verständnis für den Umbau eines Autos aufgebracht wird, dann nur wenn man es schneller machen will. Nur einfach "schöner" trifft meistens nur auf Kopfschütteln. Kamen wir mit einem Skeptiker aber erst einmal ins Gespräch mussten die meisten dann doch die Qualität unserer Arbeit anerkennen. Doch außerhalb der Volvoszene ist die Akzeptanz wirklich beeindruckend. Wir haben einige unser besten Freunde durch dieses Auto kennengelernt und wir kommen immer wieder mit Leuten ins Gespräch, die sonst einfach weitergegangen wären.

Ab dem Tag der Wiederzulassung waren wir mit der "Arche" unterwegs. Vom Treffen auf der grünen Wiese bis zur größten Custom Car Show Europas war alles dabei, wir wurden wirklich rumgereicht. Selbst auf dem Stand der Volvohändler auf einer Berliner Automesse sorgten wir für Publikumsinteresse. Stockholm, Antwerpen, London, Luzern und München- um nur die größeren Orte zu nennen- wurden von uns in den nächsten 5 Jahren heimgesucht, und natürlich alles auf eigener Achse! Von jeder Veranstaltung nahmen wir mindestens einen Pokal mit nach Hause. Auf die "Peoples Choice" Trophäe, die wir 1988 in Vallåkra gewannen, sind wir aber bis heute besonders stolz.

Danach wurde es dann etwas ruhiger, doch wir waren häufig im Urlaub mit dem Buckel unterwegs und wurden oft spontan zur Teilnahme an lokal stattfindenden Volvo- oder sonstigen Oldtimerveranstaltungen genötigt. Das waren dann immer Ferienerlebnisse der besonderen Art. In den letzten zehn Jahren sind dann aus familiären Gründen andere Dinge wichtiger geworden und wir waren nur noch sporadisch auf Achse, doch solange wir in der Lage sind, das Lenkrad zu bewegen, wird die Arche weiter rollen.