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Reise-Blog: Schwedens blaues Band

08.08.2010
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Skandinavien-Tour Sommer 2010


Der Skandinavien-Experte und Reise-Journalist Reinhard Pantke berichtet von seiner aktuellen Tour mit dem Fahrrad durch Schweden und Norwegen. Begleiten Sie ihn virtuell auf seiner Reise und erfahren Sie interessante Details über Land und Leute!

Wälder, See und Weite: Schwedens blaues Band

Es ist fast Ende Juni geworden und der in Skandinavien zweitwichtigste Feiertag (nach Weihnachten) steht an: „Midsommar“! Gefeiert wird dieser Tag „als Tag mit dem längsten Tageslicht“ in allen skandinavischen Ländern. Nur wer die skandinavischen Länder mal in den dunklen, kalten Wintermonaten erlebt hat, kann die ausgelassene Freude der Menschen verstehen! Im Sommer verlegt man das Leben nach „Draußen“ und viele Campingplätze verwandeln sich ab „Midsommar“ für kurze Zeit in Heerlager. Es wird getanzt, gefeiert und anscheinend auch ziemlich sehr viel Alkohol getrunken. Als ich an einem „Systembolaget“ (Erklärung: staatlich kontrollierter Alkoholladen) vorbeikomme, sehe ich an allen Kassen lange Schlangen von Menschen, die kistenweise Bier und Wein aus dem Laden schleppen… Im Unterschied zu Deutschland bekommt man Getränke mit einem Alkoholgehalt von mehr als 3,5 % nur in staatlichen Geschäften. Anders als bei uns in Deutschland sehe ich einige Male wie jüngere Leute vor dem Kauf von Zigaretten oder Alkohol ihren Ausweis vorzeigen müssen. Am Tag nach dem längsten Abend des Jahres sollte man wohl auch auf den Straßen etwas vorsichtiger sein, da am Vorabend reichlich Alkohol geflossen ist.

Am Vänern See

Aber zurück zu meiner Tour: Nach der Paddeltour heißt es sich wieder von Arm- auf Beinpower umzustellen. Bald liegen die Wälder des inneren Dalslands hinter mir und die landwirtschaftlich intensiv genutzten Regionen rund um den Vänern-See vor mir. Der See ist mit ca. 5.000 Quadratkilometer fast 20x so groß wie der Bodensee und versorgt noch heute fast 1 Mio. Menschen mit Trinkwasser. An seinen Ufern gibt es es zahlreiche stille Nebenstraßen auf denen man prima fast verkehrsfrei Radeln kann. Der ein oder andere Abstecher führt mich immer wieder zu einer stillen Bucht am Vänernsee.
Die Landschaft hat sich jedoch ziemlich schnell geändert: Aus Wald wurden die landwirtschaftlich recht intensiv genutzten Flächen am Seeufer. Bauernhöfe, Weideland und schmucke Dorfkirchen prägen das Bild der Landschaft. Immer wieder kann man auf Stichstrassen hinunter fahren zum See, der fast wie ein Meer anmutet.

Der Götakanal

Nördlich von Lidköping beginnt der künstliche Abschnitt des Götakanals, der zunächst mal den Vänern mit dem Vettern See verbindet und insgesamt betrachtet von der Ostsee nach Göteborg führt.

Warum macht man sich überhaupt die Mühe in jahrelanger Arbeit einen Kanal zu bauen, wenn man doch über Ost- und Nordsee direkten Zugang zu den Meeren hatte? Die Schweden waren wohl die Vormachtstellung der Dänen leid, die ihre strategisch günstige Lage an der Meeresenge des Großen Belts stets auszunutzen wussten, indem sie hohe Zölle für den Zugang zur Nordsee verlangten oder diesen Zugang in kriegerischen Zeiten auch ganz blockierten. Über 60.000 Soldaten bauten zeitweilig zwischen 1809 und 1832 an dem Kanal, der zunächst nur von den Segelschiffen befahren wurde, die auf den Treidelpfaden längs des Kanals von Karren gezogen wurden. Die mehr als 90 m Höhenunterschied zwischen den Kanälen werden durch 58 Schleusen bewältigt!
Wirtschaftlich wurde der Kanal immer unbedeutender, nur in der Zeit des zweiten Weltkrieges wurde er nochmals als sicherer Weg geschätzt, da Teile der Ost- und Nordsee vermint waren. In den letzten 20 Jahren wurde der Kanal zunehmend vom Tourismus wieder entdeckt. Neben Freizeitkapitänen befahren auch heute noch Passagierschiffe, unter ihnen die „Juno“ - das älteste Passagierschiff der Welt - den Kanal.

Die Treidelpfade längs des Kanals eigenen sich prima zum ruhigen radeln. Immer wieder gibt es kleine Dörfer, die der Phantasie Astrid Lindgrens entsprungen zu sein scheinen und herrlich, direkt am Kanal gelegene Cafes und Unterkünfte! Wer mit schmalem Geldbeutel lebt, kann auch direkt am Kanal an einfachen Lagerplätzen mit Feuerstelle und Plumsklo nächtigen. Gemütlich rolle ich weiter in Richtung Karlsborg, einem Kleinstädtchen, das wunderschön zwischen dem Vänern- und dem Vättern-See gelegen ist. Einziger Wermutstropfen ist, dass es leider kein Boot zwischen Karlsborg und Motala gibt, das am Ostufer des Sees gelegen ist. So muss man um das Luftlinie nur wenige Kilometer entfernte Städtchen zu erreichen, einmal 100 km um den See herum fahren!

Durch Wälder und Felder ostwärts

Ich beschließe, am Westufer des Sees nach Norden zu radeln und dann weiter nach Osten in Richtung Stockholm und Gotland zu radeln. Ich versuche stets die stark befahrenen Hauptstraßen zu vermeiden. Immer wieder radle ich auf schmalen Straßen und Schotterwegen. Der Sommer hat Schweden jetzt voll im Griff: Tagsüber werde ich bei fast 35 Grad im Schatten gut durchgeröstet und mein Wasserverbrauch ist ähnlich hoch wie der Spritverbrauch eines Autos auf 100 km! Glücklicherweise gibt es immer wieder am Wegesrand erfrischende Bademöglichkeiten. Die Region nördlich der Seen wird geprägt von großen Wäldern, stillen Seen und vielen großen Gütern und Schlössern, die teils auch besichtigt werden können. Das Bekannteste ist mit Sicherheit das von Kurt Tucholsky unsterblich gemachte Schloss Gripsholm! Das Märchenschloss liegt unweit des kleinen Ortes Mariefred und ist auch in einer Bootstour von Stockholm aus zu erreichen.

Doch mein nächstes Ziel ist ein kurzer Abstecher zur Sonneninsel Gotland, einer der Fährhäfen dorthin liegt nur 60 km von Stockholm entfernt. Mehr davon in den nächsten Tagen hier.

Text und Fotos © Reinhard Pantke