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Reise-Blog: Kolibris, Klapperschlangen und German Bratwurst

25.07.2012
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Nordamerika-Tour Sommer 2012


Der Reise-Journalist Reinhard Pantke berichtet von seiner aktuellen Tour mit dem Fahrrad durch die USA, Kanada und Alaska. Begleiten Sie ihn virtuell auf seiner Reise und erfahren Sie interessante Details über Land und Leute!

Von Regen, Mitfahrgelegenheiten und Kolibris

Endlich hat zumindest der Verkehr nachgelassen und ich mache mich auf dem Weg von der regenreichen Küste ins trockene, wüstenartige Innere. Der Verkehr hat stark nachgelassen, der Exodus des Wochenendes scheint vorbei zu sein. Der Regen ist allerdings nicht vorbei und nach einer kurzen Pause kübelt es wieder aus Eimern, später mischt sich weiter oben in den Bergen Hagel zwischen den Regen. Nach einer Stunde bin ich vollständig durchnässt und kann der Versuchung nur knapp widerstehen, als ein Pickup-Truck anhält und mir einen Lift nach Leavenworth anbietet: Eine Stunde im Auto oder vielleicht acht Stunden im Regen...

Doch ich entscheide mich für mein Stahlross und stampfe munter weiter. Diese Straße hat teils keinen Seitenstreifen und ich halte immer Ausschau nach LKW, die sich vielleicht begegnen und mich als Knautschzone nutzen könnten. Wer Platz hat, überholt großzügig, wer keinen Platz überholt mich oft nur mit wenigen Zentimetern Abstand – wahrscheinlich wissen die meisten Amerikanischer gar nicht, dass man auch manuell schalten könnte.

Mitten in den Bergen liegt direkt an der Eisenbahnstrecke ein winziges Nest mit 200 Einwohnern, einer Tankstelle mit Laden und einem Cafe. Als ich dort zum Abtrocknen stoppe, sehe ich verwundert wie ständig etwas ziemlich Kleines heran schwirrt und sich an aufgehängten Trögen bedient. Es sind winzige, filigrane Kolibris, die den Sommer über hier in den rauen Berglandschaften sind und im Süden der USA und in Mexiko überwintern. Teils bis zu 25 Vögel bedienen sich an den Nektartrögen. Nach weiten drei Stunden Bergauffahren lasse ich die noch schneebedeckte Passhöhe hinter mir und rolle langsam durch ein wunderschönes Flußtal bergab, um das kleine Städtchen Leavenworth zu erreichen.

Bayern – made in America?

Der Ort wurde nach bayerischen Vorbild umgebaut, als die Forstwirtschaft vor einigen Jahren nicht mehr genug Gewinn abwarf: In der Touristeninformation tragen die Damen „Dirndl“, die bunten Häuser werden von Blumenkästen und Balkonen geschmückt und überall gibt es in der „Edelweissstrasse“ „German BraUtwurst“ (tatsächlich so geschrieben) oder „Wienerschnitzel“. Gut, dass die amerikanischen Kellner die Volksmusik- und Andrea-Berg-Texte nicht verstehen. Ich muß beim Anblick der kleinen Stadt unwillkürlich an den Datenverlust denken, der beim vielfachen Kopieren entsteht... aber dem Zustrom der jährlich ca. 2 Millionen Touristen tut das keinen Abbruch.

In einem großen Supermarkt finde ich sogar „Authenic Braunschweiger“ in drei verschiedenen Geschmacksvarianten - von einem Test sehe ich besser ab. Die Erinnerung an meine Heimatstadt Braunschweig passt nicht wirklich in die alpenähnliche Umgebung. Die Landschaft rund um Leavenworth ist geprägt von ausgedehnten Obstbaumplantagen und Weinanbau. Jetzt verstehe ich, warum am Wochenende alle versuchen, dem Regenwetter zu entkommen. Doch auch hier wird es drückend schwül, bei 32 Grad im Schatten fängt es immer mal wieder an zu regnen und ich habe das Gefühl, an den langen Anstiegen auf dem breiten Highway kaum Luft zu bekommen.

Klapperschlangen, Spinnen und Tornados oder ein Tag im Leben eines Globetrotters

Manche Geschichten, die man unterwegs erlebt, sind einfach zu merkwürdig. Am nächsten Tag regnet es heftig und kurz. Da ich in der Nähe einer Ortschaft bin, suche ich Schutz in einem Bushäuschen. Da sitzt bereits eine ältere Frau, die nicht besonders glücklich aussieht. Auf meine Frage, ob alles in Ordnung sei, sagt sie nur, dass sie auf dem Weg zum Arzt sei. Sie sei von einer Klapperschlange gebissen worden. Auf meine Frage wo und wie das passiert sei, entgegnete sie, dass sie in einem anderen Bus war. Dort hätte ein junger Mann gesessen, der Klapperschlangen sammelte als Hobby. Er hätte die Schlange in einem Eimer gehabt, der zugedeckt mit einer Decke war. Der Typ jedoch war eingeschlafen (mit ner Klapperschlange auf'm Bauch wohlgemerkt!), der Eimer umgefallen und die Klapperschlange war wohl auch etwas angefressen und hat die Frau gebissen, bevor sie wieder eingefangen wurde. Das alles erzählte sie, als wenn es total normal gewesen wäre - Unglaublich! Was lernt man daraus: Besser in den USA nie Busfahren... Stelle mir diese Szene in Deutschland vor.

Der nächste Ort ein merkwürdiges Kaff, in dem ich mich kaum traue, das Fahrrad stehen zu lassen, da vor dem Supermarkt ziemlich abgerissene Gestalten herumhängen und mich und mein Rad komisch fixieren – ich muß, obwohl es spät ist nochmal 30 km weiterfahren. Als ich an einer Tankstelle nach dem nächsten Campingplatz frage, gibt mir eine Dame noch warnend mit auf den Weg: „Pass ein bisschen auf, da oben gibt es jede Menge Klapperschlangen“. Mein Lust zum Zelten sinkt auf den absoluten Nullpunkt als ich vor Tankstelle zufällig auch noch mithöre, wie Mann ans Handy geht und etwas in der Art murmelt wie: “Oh Mom, ja, Du bist von einer Spinne gebissen worden – ok, ich komme und guck mir das mal an“... Aber ich habe Glück - im nächsten Dorf gibt es einen weiteren Campingplatz, der neu sauber und gänzlich „klapperschlangenfrei“ zu sein scheint. Nur ein paar Meter vom Columbia River schlage ich zufrieden mein Zelt auf.

Abends ziehen bedrohlich dunkle Wolken auf, ein Gewitter scheint im Anmarsch zu sein. Dann sah man erst eine riesige gelbe Wolke (Sand aus den umliegenden Bergen) über die Berge kriechen und dann wälzt sich eine gigantische Gewitterfront mit Windgeschwindigkeiten von 100-120 km durch das Tal. Stühle fliegen durch die Gegend, Leute schreien panisch und von den Bäumen knicken dicke Äste ab. Wer kann, verkriecht sich im Auto. Mein Problem ist, dass ich mein Zelt nur 10 m vom Columbia River aufgebaut hatte, raus konnte ich also nicht, den dann wäre das Zelt wohl mitsamt Taschen in den Fluß geflogen und die Tour wäre vermutlich vorbei gewesen!! Und 10 m von mir entfernt rollt ein großes Familienzelt munter mitsamt Inhalt in meine Richtung, wäre es noch weiter gekommen, dann hätte es mein Zelt unter Garantie platt gemacht! Zwei andere Zelte waren Totalschaden, eins fliegt auf den Fluß, zwei Leute werden verletzt durch Äste und im ganzen Ort und allen Orten drumherum für Stunden kein Strom. Das Ganze dauerte vielleicht eine knappe Stunde. Bei mir waren nur zwei Gestängestangen des Zeltes gebrochen, außerdem hat der Sturm eine volle Halbliterdose vom Tisch in den Fluß geweht. Aber das Gestänge kann ich reparieren – das Wetter soll in nächsten Tagen nicht anders werden.

Wie es weitergeht, lesen Sie in 14 Tagen - „See you“ ...

Reisetipps

Infos zu den beschriebenen Orten - siehe unten genannte Links.

Text und Fotos © Reinhard Pantke