English | Deutsch ||
Lieferland:
|| Hilfe

Elch-Taxi

15.02.2021

Diesen schönen Bericht über sein Volvo 940 Elch-Taxi schickte uns Florian Melcher. In seiner reich bebilderten Story erzählt er, wie er zum Volvo kam. Viel Spaß beim lesen!


Die echte Autoliebe zu meinem #Elchtaxi

Zugegeben, wenn man auf alte Volvos steht, wird man häufiger skeptisch angeschaut und gefragt, was denn an diesen „Leichenwagen“ so toll sei. Sie sind doch absolut eckig, unsportlich und bieder. Inzwischen wächst der Kreis der Liebhaber dieser „Ziegelsteine“ und es schon sehr häufig erklärt worden, warum ein alter Volvo Kombi das beste Auto der Welt ist.

Wenn man jetzt aber noch eine Affinität zur Farbe Hellelfenbein (RAL 1015 / „Taxifarbe“) an den Tag legt, dann muss mit einem schon ganz gewaltig etwas nicht stimmen. Waren es die falschen Freunde, eine schlechte Bildung, Ex-Partnerinnen, oder sogar die Ehefrau? Nein, wie so oft bei Störungen, oder psychischen Beeinträchtigungen liegt die Wurzel allen Übels im Elternhaus und in der Kindheit.

Ich erblickte 1986 das elektrische Licht der Welt, an diesem Tag war noch alles gut und soweit ich mich erinnern kann auch noch die Folgetage. Aber dann kam das Unvermeidliche und zusammen mit meiner Mutter kam ich nach Hause.

Grade auf die Welt gekommen wurde ich mit einem Vater gesegnet, der sich leidenschaftlich für Autos interessierte und zusammen mit meiner Mutter führten sie ein kleines Taxiunternehmen. Wie so üblich waren die ersten „Droschken“ von Mercedes aus der Baureihe W123, was sich aber plötzlich änderte: Es wurde ein gebrauchter Volvo 244 mit Reihen-Sechszylinder-Diesel-Motor und überragenden 79 PS gebraucht angeschafft, der den letzten W123 ersetzen sollte.


Das Auto schlug sich dabei so gut, dass ein zweiter Ersatzwagen angeschafft wurde, danach folgte der erste „nigelnagelneue“ Volvo 744 als Taxi. So weit, so gut, das war 1989, also nichts, was mich großartig berühren hätte können.

Leider schied der 744 recht unfreiwillig nach einer Kaltblechverformung bereits wenige Monate nach Inbetriebnahme wieder aus und es wurde ein neuer Volvo bestellt, der mich prägen sollte.


Im Mai 1990 war dann die Auslieferung, mein Vater strahlt hier „stolz wie Oskar“ und die überschüssigen Beine, die man rechts neben ihm hinter der Fahrertür erkennen kann, gehören mir. Dieses Auto hat bis 1997 über 700.000 km im Taxieinsatz abgespult und war dabei eine absolute Seltenheit auf Solingens Straßen. Der Klang des Sechszylinders war in der Reihe der Mercedes W124, VW Passats, Audis und Opels herausstechend und es kam wohl häufiger auch vor, dass Fahrgäste sich speziell diesen Exoten aussuchten. 1997 war er dann leider nicht mehr tragbar und ich war zu tiefst traurig, als er uns verließ. Er war nicht nur ein „Firmenwagen“, nein mit ihm fuhren wir auch in Urlaub, machten Erledigungen und hatten immer eine schöne Zeit. Es war, als sei ein Familienmitglied von uns gegangen. Abgemeldet und nicht mehr fahrfähig stand er noch einige Zeit auf unserem Grundstück, dann kam der Tag, an dem er von einem Verwerter aus dem Aachener Raum abgeholt wurde. Unser Taxi kämpfte verzweifelt mittels blockierter Hinterachsbremsen gegen sein Schicksal an, aber es half nichts mehr. Zwar wurde er wieder durch einen Volvo ersetzt (V70 I und danach V70 II), doch wurde es nie wieder das selbe.

Tja, nun war ich definitiv angefixt und wenn es nach mir gegangen wäre, wäre ein solcher Ziegelstein auch mein erstes Auto gewesen, aber es musste ja der obligatorische Golf werden. Und ein zweiter. Beim dritten Auto hatte ich dann aber selbst die Entscheidungsgewalt und überraschte meine Mutter mit einem Spontankauf eines solchen Volvos, leider aber in zivilem Grau gekleidet.

Eins war mir aber sicher, irgendwann muss ein ehemaliges Volvotaxi (#Elchtaxi) her. Dieser Wunsch war aber äußerst schwierig umzusetzen, da Taxis eh selten den Einsatz überleben und meist irgendwann in den Export gehen, zudem die Droschken von Volvo extrem selten verkauft wurden, grade im Vergleich zu Mercedes und den anderen üblichen Verdächtigen.

Noch in meiner Ausbildung im November 2010 fand ich dann eher durch Zufall in Stuttgart einen interessanten beigen Elch: einen Volvo 244 von 1987. Noch mit leichter Lungenentzündung setzte ich mich in den Zug um diesen Wagen vom „Fähnchenhändler“ zu retten. Er war/ist zwar kein Taxi, aber die Farbe kam schon gut hin…


Ich richtete ihn wieder her und setzte ihm aus Spaß ein Taxischild aufs Dach. Auf das Foto wurde ca. 2017 die Firma Minichamps aufmerksam und fertigte ein Modell im Maßstab 1:18 an, was frei in der Verkauf kam. Es folgten fast unzählige Volvos, die mal kürzer, mal länger blieben, darunter auch ehemalige Taxis neuerer Volvo-Generationen, aber bisher kam nie wieder das Gefühl auf, welches ich beim 745 von 1990 hatte. Doch dann! Eines plötzlichen Tages tauchte eine Kleinanzeige auf, ein Bekannter leitete sie mir weiter…

Ist es das, wonach es aussieht?
Kurzer Check:
Farbe? - Passt.
Laufleistung? - Hoch, passt also auch (808.000 km).
Taxispezifische Ausstattungselemente? - Jepp.
Schlimmste Abnutzungserscheinungen? - Gar nicht mal so.
Schiebedach? - Nee, Mist!
Fahrfähig? - Möglicherweise.
Preis? - Naja…
Standort? - Eieieiei: 350 km einfache Strecke, da komm‘ ich nicht mal eben hin.

Nach kurzem Überlegen rief ich den Verkäufer an und vereinbarte einen Termin zur Mittagszeit, er sollte ja nicht wissen, dass ich für diese „Dose“ 350 km Fahrt auf mich nehme.


Pünktlich „Highnoon“ und nach 350 km erreichte ich mein Ziel. Der Wagen wurde von „Privat“ in einem nicht kommerziellen Profil inseriert. Aufgrund meiner Erfahrungen wunderte ich mich nicht sehr, dass mein Navi mich anhand der Adresse zu einem gewerblichen Gebrauchtwagenhändler geleitet hatte. Im regnerischen Goslar parkte ich schnell ein und versuchte das Objekt meiner Begierde zu sichten und tatsächlich: Abgestellt zwischen einem ausrangiertem Smart und einem Citroen C3 (?) stand er da und erinnerte mich sofort an unseren alten 745.

Es war zwar nicht genau das gleiche Modell, aber der sehr artverwandte Nachfolger, ein 945 von 1991. Dieses Auto hatte gegenüber meiner alten „Lieblingstaxe“ den Vorteil, dass er einen Turbodiesel mit strammen 116 PS besitzt und zudem über eine werksseitige Klimaautomatik verfügt - und das schon 1991!

Nach kurzem hin und her einigte man sich mit dem Verkäufer auf den inserierten Preis, der zwar nicht utopisch, aber auch nicht wirklich günstig war. Er betonte dabei, er verkaufe den Wagen für seinen „älteren Nachbarn“, der das Autofahren drangegeben hätte. Der Kilometerstand sei nicht rund 800 tkm, sondern die Hälfte, weil der Tacho mal kaputt gewesen sei und deshalb dieser Tacho verbaut wurde. Ahja, dachte ich mir… Eine Anzahlung floss, ich gab ihm das Versprechen den Wagen innerhalb von zehn Tagen abzuholen und machte mich mit stolzgeschwellter Brust auf den Rückweg. Mensch, war das eine schöne Rückfahrt: nochmal 350 km durch Regen, Sturm, Baustellen und Stau, aber ich hatte endlich MEIN Taxi gefunden.

Gesagt, getan: mit einem Freund habe ich mich wenige Tage später auf den Weg gemacht den Wagen abzuholen, natürlich kam auch direkt das #Elchschild für das #Elchtaxi mit!


Wie es immer so ist, muss man bei so alten Autos leidgeprüft sein und eine gewisse Risikobereitschaft an den Tag legen. Mir war der Wagen ja komplett unbekannt und er hatte über 800 tkm gelaufen. Probefahrt? - Wozu, wenn man doch so euphorisch ist.

Gemeinsam mit meinem Freund entschieden wir uns einen gemütlichen Roadtrip durch den Harz inklusive Übernachtung zu machen. Nachdem alle Flüssigkeiten überprüft waren und der Sechszylinder lautstark, aber doch harmonisch vor sich hin nagelte entschieden wir aufzubrechen.

Auf den ersten Kilometern musste der mir hinterherfahrende Freund aber ordentlich leiden, scheinbar spuckte mein altes Taxi die Grobstaubpartikel der letzten Jahre unbarmherzig aus dem rostbraun-patinierten Endrohr und verursachte dadurch möglicherweise auch den einen, oder anderen „Steinschlag“ auf der Motorhaube. Als wäre ein altes Volvotaxi nicht schon auffällig genug. Alter Diesel halt!

Kurz vor der Ankunft am Hotel wurde die Instrumentenbeleuchtung dann schwächer und teilweise fielen auch Anzeigen aus. Alles klar, super… wir sitzen im Harz und ausgerechnet jetzt streikt der Generator. Das Problem wurde dann aber aufgrund mehrerer Hopfen-Kalt-Schalen auf den nächsten Tag verschoben. Zum Glück waren es nur die Schleifkohlen, die sogar irgendwo auf Lager lagen. Wir konnten sie schnell abholen, einbauen und so machten wir uns auf den Rückweg.

Nachdem diverser „Wartungsrückstand“ aufgeholt wurde, stellte sich die Frage, mit welchem Auto wird den kurz bevorstehenden Jahresurlaub angehen werden. Meine Ehefrau war eher für eines der moderneren Autos, ich aber wollte unbedingt mit dem Taxi nach Dänemark fahren. Was soll ich sagen, die 4.000 km hat er problemlos abgespult und ich konnte meine beste Hälfte sogar überzeugen zum Urlaubsende noch ein Alt-Taxitreffen im Harz zu besuchen.




In einem ruhigen Augenblick hatte ich mir dann mal die Zeit genommen die Historie meines Taxis zu recherchieren. Dank zweier (!) alter Servicehefte und sogar noch dem ursprünglichen Fahrzeugbrief konnte ich alle drei Vorbesitzer namentlich benennen und suchen.

Der ursprüngliche Taxiunternehmer stand mir telefonisch gerne Rede und Antwort. Er hatte den Wagen von 1991 bis 1995 im Einsatz und musterte ihn dann mit ca. 400 - 500.000 km aus. Einer seiner angestellten Fahrer übernahm den Wagen dann.

Diesen Vorbesitzer konnte ich leider nicht erreichen, dafür aber wieder den dritten und letzten Halter, vor mir.

Es handelte sich dabei um den Schwiegervater des zweiten Besitzers, sodass diese Wissenslücke bestens gefüllt werden konnte. Auch konnte er mir garantieren, dass der Tachostand echt ist, sprich der Tacho niemals getauscht, oder stehengeblieben sei. Die Kontakte verliefen alle sehr freundlich nur eine Information möchte man als Käufer eines solchen Autos, was man jahrelang gesucht hat eigentlich nicht wissen und zwar den Betrag, den der letzte Eigentümer für „meinen Traum“ erhalten hat. Der freundliche Wiederverkäufer hatte dem „alten Mann“ 50,- € (fünfzig!!!) gegeben und beide Seiten waren damit glücklich. Vermutlich brauche ich nicht erwähnen, dass ich für mein Taxi ein Vielfaches davon zahlen musste.

Aber was nutzt es am Ende, sich darüber Gedanken zu machen? Es bringt rein gar nichts, viel lieber genieße ich das gemütliche Dahingleiten mit dem sonoren Dieselnageln und den wahnsinnigen Komfort der 4-Gang-Automatik von ZF.

In diesem Sinne, macht’s gut und bleibt gesund!

Liebe Grüße
Florian


Text und Bilder mit freundlicher Genehmigung von Florian Melcher