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Reise-Blog: Washington State

11.07.2012
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Nordamerika-Tour Sommer 2012


Der Reise-Journalist Reinhard Pantke berichtet von seiner aktuellen Tour mit dem Fahrrad durch die USA, Kanada und Alaska. Begleiten Sie ihn virtuell auf seiner Reise und erfahren Sie interessante Details über Land und Leute!

Von Baumgiganten, Vampiren und der Einsamkeit

Bald nachdem ich Kleinstadt Port Angeles hinter mir gelassen habe wird es einsam. 70 - 100 km zwischen kleinen Orten und Versorgungsmöglichkeiten sind meist normal, nur ab und an findet sich ein Cafe oder eine Lodge in der Mitte von Nirgendwo. Für die nächsten ungefähr 10 Tage folge ich dem Highway 101, der immer mehr oder weniger an der Küste entlang südwärts führt. Ambitionierte Radler oder auch Autofahrer könnten so fast 2.000 km durch Washington State, Oregon und Teile Kaliforniens fahren, bis sie Los Angeles erreichen.

Weite Teile der Halbinsel sind bedeckt vom über 3.700 Quadratkilometer (das Saarland ist kleiner) großen Olympic Nationalpark, der geprägt wird von riesigen Regenwäldern mit einzigartiger, endemischer Vegetation und überragt wird von hohen, vergletscherten Bergen.

Sind Vampire eigentlich wasserfest?

Das kleine Nest Forks ist der erste Ort, den ich nach zwei Tagen erreiche. Die Kleinstadt wurde weltberühmt durch die Twilight-Filme und hat so gut es geht versucht, Kapital daraus zu schlagen. Überall findet man Twilight Milchshakes, Burger, Lesungen und sogar ein Vampir-Motel... Mir drängt sich eher die Frage auf, ob Vampire regenresistent sind. Es gießt den ganzen Tag und ich bin froh, dass ich ein trockenes Motelzimmer habe. Tatsächlich sind wohl nur wenige Filmszenen hier gedreht worden, andere Drehorte waren in Oregon und in Vancouver.

Zauberwald

Einer der lohnenswerten Abstecher führt mich am nächsten Tag hinauf zum „Hoh Rainforest“. Auf dem Weg dorthin, komme ich am „Hard Rain Cafe“ vorbei. Natürlich lasse ich mir eine der wenigen Gelegenheiten zu einer Pause im Trockenen nicht entgehen und finde zu meiner Überraschung im Angebot große Stapel einer bekannten deutschen, quadratischen Schokolade. Der Inhaber ist ein ausgewanderter Deutscher, der mir später im breitesten Bayrisch erklärt, dass die Amerikaner verrückt seien nach der deutschen Schokolade. Der Name des Cafes erklärt sich von selbst, denn draußen hat mal wieder einer dieser heftigen Schauer begonnen – bis zu vier Meter Regen fallen in dieser Gegend, das ist ungefähr sechsmal soviel wie z.B. in meiner Heimatstadt Braunschweig!

Aber die Strecke zur Nationalparkstation lohnt den 60 km langen Umweg: Die Straße wird eingerahmt von bis zu 90 Meter hohen und teils 500 Jahre alten Sitkafichten, Hemlocktannen und anderen Baumarten. Einige haben einen gigantischen Umfang von fast 20 Metern! Die Bäume sind überzogen von dichten Moosbärten, die lang und zerfleddert hinab hängen und der Waldboden ist überzogen von dichten, grünen Teppichen. Grün in den unterschiedlichsten Farbtönen und Nuancen, wohin man schaut. Hinter jedem Stein könnte sich ein Fabelwesen verstecken, der Wald erscheint wie die perfekte Kulisse für einen Fantasyfilm. Verzückt bleibe ich auf einer Brücke im Wald stehen und lasse die Szenerie wirken. Hinter mir höre ich ein Trampeln und als ich mich herum drehe, sehe ich ich einen riesigen Elch, der mich gelangweilt mustert und sich, als ich mein Teleobjektiv raus krame, leider schnell wieder im grünen Dickicht verzieht.

Endlose Strände und die Suche nach der Sonne

Bald erreiche ich die Küste, die Strände sind hier teils gespickt mit riesigen Baumstämmen, die die Winterstürme an Land werfen und durcheinanderwirbeln wie Mikadostäbe. Irgendwann lese ich, dass 150 km südlich ein 200 Tonnen (!) schwerer und 100 Meter langer Ponton angeschwemmt worden ist, der durch den Tsunami im letzten Jahr in Japan losgerissen worden war – eine gruselige Vorstellung, was vielleicht noch alles im Meer schwimmt...

Überall sieht man hier übrigens Schilder, die einen im Fall von schweren Erdbeben den richtigen Weg zu höher gelegenen Plätzen weisen. Der große „Big Bang“ wird hier schon seit einigen Jahren erwartet und ist nach Expertenmeinung längst überfällig.

Einige der endlosen Sandstrände wurden teils zum Highway erklärt. Das Fahren darauf verkneife ich mir wegen des starken Windes. Das Wetter bleibt schlecht, bei 13- 15 Grad „paddle“ ich teils durch den Regen und beschließe in Astoria die Küste nicht mehr weiter südwärts zu fahren und stattdessen ins hoffentlich trockenere Innere abzudrehen. Vorbei an diversen Städten schleiche ich durch hügeliges Waldland in den nächsten Tagen wieder nach Norden. Mit der Einsamkeit der Küstenregionen ist es vorbei, der Verkehr ist um einiges stärker geworden.

Die Berge warten und endlose Autoschlangen

Um mich nicht durch das Gewirr der Großstadthighways von Seattle quälen zu müssen, nehme ich südlich von Seattle eine der wenigen Gelegenheiten wahr, mit einem der Vorstadtzüge die Großstadt zu durchqueren und steige in Everett - nördlich von Seattle - wieder aufs Rad. Zunächst kann ich noch auf schmalen Landstraßen vorwärts kommen, doch bald kann ich den Highway 20 nicht mehr meiden.

Fassungslos sehe ich einen endlosen, dichten Strom von Autos und LKW an mir vorbeiziehen. Ich habe fast das Gefühl in einer deutschen Großstadt im Feierabendverkehr zu stecken. Auf dieser Strecke wird es aber auf den nächsten 130 km außer einem kleinem Dorf und einem Skiresort keine großen Orte geben! Aber wahrscheinlich ist es wirklich so, wie mir ein Einheimischer erklärt, der mir sagte, dass die Einheimischen einfach nur über den Pass fahren, um dem Regen fürs Wochenende zu entfliehen. Zudem ist öffentlicher Personen-Verkehr, der über den Eingangsbereich der größeren Städte und Gemeinden hinausgeht, fast unbekannt. Da passt es, dass sich viele Amis über die viel zu hohen Spritpreise beklagen: Ein Liter kostet grade mal umgerechnet 70 Cent...

Ich verweigere die Weiterfahrt einfach, da es auf der Passstraße über über 1400 m hohen Stevens Pass teils gefährlich eng wird und ich zudem keine Lust habe, meine Lungen mit Abgasen vollzupumpen.

Wie es weitergeht, lesen Sie in 14 Tagen - „See you“ ...

Reisetipps

Infos zu den beschriebenen Orten - siehe unten genannte Links.

Text und Fotos © Reinhard Pantke