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Reise-Blog: Die letzten Kilometer zum Nordkapp

17.12.2014
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Skandinavien-Tour Sommer 2014


Der Reise-Journalist Reinhard Pantke berichtet von seiner aktuellen Tour mit dem Fahrrad durch das Baltikum, Schweden und Norwegen bis nach Nordfinnland. Begleiten Sie ihn virtuell auf seiner Reise bis zum Nordkap und erfahren Sie interessante Details über Land und Leute!

Dem Nordwind entgegen

Es ist Mitte August geworden, als ich Tromsø verlasse, um die letzten gut 600 km zum Nordkapp in Angriff zu nehmen. Bei frischen 12 Grad und Nieselregen radele weiter in den einsamen Norden Norwegens.

Zu dieser Zeit haben die Wälder hier oben im Norden bereits einen deutlichen „Gelbtouch“ und die Straße wird gesäumt wird von Unmassen großer Pilzgruppen. Ich ärgere mich, dass ich nicht dazu in der Lage bin, die essbaren von den giftigen Sorten zu unterscheiden!

Die Nächte werden wieder richtig dunkel, jeden Tag verliert man hier oben fast zehn Minuten Sonnenlicht, bis die Sonne im November eine mehrwöchige Pause macht und den Polarlichtern die Bühne überlässt. Das heißt jedoch nicht, dass es hier oben im Dezember ganztägig stockdunkel ist: Selbst zur Wintersonnenwende im Dezember wird es gegen Mittag für zwei bis drei Stunden dämmrig und wer Glück hat, sieht in den klaren Nächten Polarlichter über den Himmel tanzen!

Schon jetzt fröstele ich, wenn der Wind aus dem Norden kommt und deutlich macht, dass der erste Schnee in ein wenigen Wochen fallen wird. (Anmerkung: Tatsächlich gab es den ersten Schnee Anfang Oktober!)

Finnmark - die große Einsamkeit

Die Finnmark ist die am dünnsten besiedelte Region Europas. Zwischen den einzelnen Orten, die mit Ausnahme der Stadt Alta nach unserem Verständnis höchstens größere Dörfer sind, wartet die große Einsamkeit Nordnorwegens auf mich: Zwischen den Orten liegen oft 100 km und mehr.

Die Baumgrenze wird immer niedriger und weiter oben radele ich durch tundrenartig weite Landschaften, die von Seen und Mooren durchsetzt sind. Optimaler Lebensraum für unzählige Rentiere, die noch heute oft frei über die Ebenen ziehen und zwischen den Sommerweiden entlang der Küsten und den Winterlagern im Innern wandern. In früheren Zeiten waren sie fester Bestandteil eines in sich geschlossenen Wirtschaftssystems der „Sami“, die grenzenlos durch den nördlichen Teil der drei skandinavischen Länder zogen. Immer wieder kreuzen kleinere Herden von „Santa Claus-Transporttieren“ die Straße und lassen sich selbst von den großen Trucks, die laut hupend heran gebrettert kommen, kaum aus ihrem ruhigen Trab bringen. Allerdings geben sie mir auch gedanklichen Input für das kommende Abendessen: In einem Imbiss gibt es zartes Rentiergeschnetzeltes mit Kartoffeln.

Dass Menschen mindestens seit 6.000 Jahren in der kargen Finnmark leben, sehe ich im berühmtesten Freiluftmuseum Nordnorwegens: In Alta bestaune ich zwischen 2.000 und 6.000 Jahre alte Felszeichnungen, die von den einstigen Bewohnern, welche als Jäger und Sammler lebten, wohl aus religiösen Gründen oder vielleicht auch aus Langeweile in die Felsen geritzt wurden. Immer wieder sieht man auf den nachcolorierten Zeichnungen Rentiere, Wale, Bären sowie Jagdszenen und die älteste Darstellung eines Menschen auf Skiern!

Die letzten Etappen

Der Wettergott meint es nochmal gut mit mir, als ich von Alta aufbreche: in den rauen Berglandschaften erlebe ich bei 17 Grad den wohl letzten Sommertag des Jahres. Zwei Tage später ist es damit schlagartig vorbei und ich pedaliere in den nächsten Tagen durch dichtesten Nebel, der mich kaum zehn Meter sehen lässt. Es geht hinauf nach Hammerfest, der nördlichsten Stadt der Welt. Da ich keine Lust auf über 15 Kilometer Fahrt durch Unterwassertunnel habe, fahre ich per Schiff von Hammerfest nach Honningsvåg.

Nachdem sich der Nebel zwei Tage später endlich gelichtet hat, nehme ich die letzten 35 km auf der extrem bergigen Insel Magerøya unter die Räder. Fast 1.500 Höhenmeter (nur rauf) werden am Abend auf dem Zähler stehen. Durch die kargen Weiten der Insel geht es hinauf zum Nordkappfelsen. Wer Sparfuchs ist, wird hier übrigens fündig: Einfach mal mit dem Rad von Deutschland zum Nordkapp radeln und schon hat man 30 Euro am Eintritt gespart!

Auch wenn das Nordkapp bei Sonne ein schöner Platz sein mag und die Weite der Landschaft beeindruckt, so zieht mir doch am bekannten Globus in erster Linie die Binsenweisheit durch den Kopf, dass der Weg hier hinauf das Wichtigste war. Wenngleich ich schon ein bisschen stolz auf meine Leistung bin, relativiert sich manches, als ich auf dem Rückweg einen Wanderer treffe, der meine Radtour wie einen kleinen Ausflug erscheinen lässt: Mir begegnet ein Deutscher, der in sechs Monaten zu Fuß über 3.000 km von Trelleborg zum Nordkapp gelaufen ist. Welch eine Leistung!

Vier Monate sind vorbei

Der Rest der Reise ist recht schnell erzählt: Mit dem alten Hurtigroutenschiff „MS Lofoten“ geht es nach Kirkenes an der norwegisch-russischen Grenze und von dort aus entlang des Flusses Tenojoki nach Utsjoki an der Grenze zu Finnland. Dort endet im September nach 4 Monaten die Radtour und es geht mit Zug, Bus und Fähre zurück nach Deutschland.

Hinter mir liegt eine unvergessliche Zeit voller wunderbarer Eindrücke, spannender Erlebnisse und voller Freiheit. Fast 5.000 km war ich durch sechs verschiedene Länder geradelt, seitdem ich meine Heimatstadt Braunschweig Mitte Mai verlassen hatte.

Wer Lust bekommen hat, sich die Bilder und Erlebnisse von Reinhard Pantke einmal live anzuschauen, wird unter www.reinhard-pantke.de viele Termine mit seinen digitalen Diashows in fast ganz Deutschland finden.

Text und Fotos © Reinhard Pantke