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Rallye Weiz - „Steirische Schmankerln“ - ein Menü mit 14 Gängen

20.07.2019
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Die Idee, eine reine Asphaltrallye zu fahren, entstand aus der kontroversen Diskussion, ob ein Volvo, der sich angeblich „nur auf Schotter wohlfühlt“, auch auf Teer eine gute Figur machen würde. Dazu kam, dass der Schwede Ted Malm den in der Versenkung verschwundenen „Nordic West Euro Cup“ als „Volvo Euro Cup“ wiederbeleben möchte und sich als Testlauf diese österreichische Berg- und Talfahrt für seinen 240er aussuchte. Vermutlich hatte er auch bereits von der sprichwörtlichen Gastfreundlichkeit der „österrikiska“ und den begeisterten Zuschauern gehört, was wir auch in vollem Umfang bestätigen können! Als dritter Schwedenpanzer in die Runde gesellte sich ein 740er mit dem österreichischen Juniorenehepaar Martin und Anna Ritt, die ihren Serviceplatz direkt neben uns hatten und deren Serviceleute uns mangels eigener sofort familiär mitbetreuten, danke nochmals an dieser Stelle!

Die Reifenfrage war vorab schnell geklärt, ein befreundeter Volvofahrer und Autoschrauber (danke an Stefan Haberland!) stellte uns Asphaltschlappen, jeweils ein Satz für trockene und nasse Straße zur Verfügung (für die Freaks – Michelin R 21 und R 11) und das wichtigste Utensil, ein Reifendruckprüfgerät beim Händler unseres Vertrauens geordert. Kurz vor unserer Abreise konnten wir den Streckenplan einsehen und da war klar, es wird sehr bergig und sehr kurvig - definitiv NIX für Flachlandtiroler und Kurvenallergiker!

Nach der Ankunft in Weiz am Spätnachmittag holten wir die nötigen Unterlagen sowie den GPS-Sender ab und begaben uns sodann auf die erste Besichtigungsrunde. Sahen die Wertungsprüfungen auf der Karte rund um den Startort zuerst kompakt aus, erwies sich die Anfahrt dann doch als ziemlich zeitraubend und so schafften wir bis Trainingsende um 21 Uhr genau zwei Strecken einmal zu besichtigen. Die waren allerdings wirklich jede Anfahrt wert und das Wort „selektiv“ gewann da eine ganz andere Bedeutung! WP 1 mit 15 Kilometern schmale Bergsträßchen, die sich am Rand steiler Wiesen und Wälder entlangschlängelten, vorbei an Bauernhöfen oder durch kleine, enge Dörfer. Vielleicht erinnert sich noch der ein oder andere an Julio Iglesias „Wenn ein Schiff vorüberfährt“ aus den 70er Jahren - da gab es eine Parodie von Mike Krüger alias Iglo Langnäsias... Meine persönliche Interpretation hieß in unserem Fall „Wenn der Schrieb daneben geht, dann hilft nur noch Beten...“. Sollte nämlich eine R3 oder L5 allzu optimistisch notiert worden sein, droht das Fahrzeug in der Versenkung zu verschwinden (was an beiden Rallyetagen auch einigen Fahrern passierte – man sah nur noch beispielsweise einen Scheinwerfer oder eine Stoßstange aus dem Abgrund spitzeln...).


Es galt daher 6 verschiedene Sprintprüfungen sowie zwei Rundkurse, die bei der Rallye je zweimal gefahren wurden, in vorgeschriebenem moderaten Tempo zu besichtigen und möglichst genau zu notieren, um eben obige Fehltritte zu vermeiden... Man durfte diese Besichtigungsrunde dreimal absolvieren, wir fanden aber zweimal doch schon sportlich, wenn im Zeitrahmen auch noch administrative und technische Abnahme zu unterschiedlich fixen Terminen abgewickelt werden mussten. Da denkt man doch gerne an die minimalistischen Rallyes in Schweden - hinkommen, Abnahme, fertiger Aufschrieb für alle, starten, Ziel, aufladen...alles von Vormittag bis Spätnachmittag eines Samstages - Rallyefastfood für Skandinavienerprobte :-)

Apropos, unsere schwedischen Volvomitstreiter Ted und Katharina legten ihre Prioritäten eher auf „in der Ruhe liegt die Kraft“ und Livevideos vom Shakedown, so dass Freitagmittag kurz vor dem Start ein Großteil der „tysk siffer“ also unseres Aufschriebes, von Siggi ins Schwedische diktiert werden musste, um die beiden nicht völlig blind starten zu lassen... Aber als gelernte „Allinclusivenotenleser“ kamen sie trotz Bedenken meinerseits gut mit unserem „Gebetbuch“ klar und erreichten heil die Zielrampe!

Am frühen Freitagnachmittag ging es dann endlich los – die Wetterapp hatte leicht bewölkte 28 Grad und 0 % (in Worten null Prozent...) Regenwahrscheinlichkeit vorher gesagt. Optimale Verhältnisse für die montierten Rennreifen Michelin R 21, mit denen wir in die erste Runde der Etappe starteten. Wie ich schon in einem meiner vorigen Berichte schrieb „lächle und denke es bedeuteteso galt dieser Spruch auch in einer weiteren Auflage.

Es fehlte uns das geheime Wissen der Einheimischen über lokale Wettergeschehen sowie die Mobiltelefonhotline zu entsprechend positionierten „Regenspionen“ und damit nahm das Drama seinen Lauf, d.h.eigentlich lief es noch nicht rund, die erste Wertungsprüfung wurde nach einem Unfall neutralisiert und es ging direkt weiter zu WP 2. In der Zwischenzeit hatte sich aus sommerlich-weißen Wolkentürmen ein bedrohliches Graublau entwickelt und es kam wie es kommen musste - an der Zeitkontrolle begann es mit schweren Tropfen zu regnen und pünktlich zum Start öffnete der Himmel buchstäblich alle Schleusen! Die ersten knapp 11 Kilometer unter „Rennbedingungen“ gingen somit wortwörtlich den „Bach runter“, der Volvo kämpfte sich mehr schlitternd als fahrend durch, vorbei an zwei Aquaplaningopfern im Aus, für die die Rallye zumindest an diesem Tag bereits vorbei war. Die Scheibenwischer waren mit den Fluten von oben völlig überfordert und unsere Sicht praktisch bei Null, dass wir die im Aufschrieb eigentlich exakt notierte Haarnadelkurve rechts somit gerade aus passierten und uns zwischen Siloballen und vor einem rotweißen Absperrgitter wiederfanden! Nach dem ersten Schreck und kurzer Verwirrung Rückwärtsgang eingelegt und weiter gings im Schwimmwettbewerb, froh endlich die Zielflagge ohne Kaltverformung zu erreichen.... Die nächste Sonderprüfung war der Auslauf des später in der Dunkelheit zu fahrenden Ortsrundkurses, so konnten wir das unter Rennbedingungen noch im Hellen mal austesten - Zusatzscheinwerfer sind ja eh nur unnötiger Ballast vorne drauf ;-) man braucht nicht zu erwähnen dass diese zuhause lagen? Die Schlappe der WP 2, langsamster der drei angetretenen Volvos gewesen zu sein, konnten wir auf dieser Sonderprüfung dann gut ausmerzen!

Vergleiche zwischen den drei Volvos Martin und Anna auf Semi Slick, Ted und Katharina auch auf Semis und wir mit echten Michelin Rallye Reifen. Ich brachte den Volvo nicht zum ausbrechen. Darum werden wurden wir wohl von den Fotografen ignoriert.

viele Bilder von Matjaž Dovnik Danke

In der zweiten Runde absolvierten wir dann die neutralisierte erste WP als Nummer 4 im Wettbewerb und zogen nach diesen selektiven 15 Kilometern am an erster Stelle der Volvos liegenden österreichischen Ehepaar Ritt/Ritt auf dem 740er vorbei. Die schwedischen Eheleute Malm/Malm mit dem zweiten 240er Volvo fanden sich auf dieser we12Sonderprüfung überhaupt nicht zurecht, obwohl sie eigene Noten gemacht hatten und waren eine Minute länger unterwegs als wir. So lagen wir nach WP 5, die ja bereits als Nummer 2 gefahren wurde aber wegen eines erneuten Unfalls wieder neutralisiert werden musste, vor den Ritts und den Schweden.

Die Anfahrt zur letzten Wertungsprüfung des Tages, Nummer 6 als Rundkurs mit drei zu absolvierenden Runden um das Dorf Anger ließ uns angesichts der Zuschauermassen an allen möglichen Aussichtspunkten über die Begeisterungsfähigkeit des heimischen Publikums staunen! Allerdings, was wir zu Anfang der Rallye zu viel an Wasser hatten, schlug beim Warten auf den fliegenden Start in den Rundkurs ins Gegenteil um! Direkt hinter dem vor uns Startenden stehend stieg plötzliche eine Dampfwolke unter der Motorhaube auf und die Temperaturanzeige des Kühlwassers war auf Anschlag im roten Bereich! Aus dem Auto springen, Motorhaube aufreißen und die glücklicherweise neben uns stehende Feuerwehr um Wasser zu bitten, war eins für den Fahrer! Vermutlich war der Kühlerlüfter aus Altersgründer unbemerkt etwas schwergängig geworden und hatte eine Sicherung durchgebrannt. Gerade nochmal gut gegangen, zwar mit einer kleinen Brandblase an der Fingerkuppe des Chauffeurs aber ohne Schäden für das Herz unserer bereits 40jährigen Volvolady, starteten wir „mit ohne Zusatzscheinwerfer“ aber einem deutlich erhöhten Adrenalinspiegel (sowas nennt we14sich auch körpereigenes Doping ;-) in die Schlussprüfung des ersten Tages. Mit einem weiteren Vorsprung von 11 Sekunden auf das österreichische Team (O-ton von Martin Ritt „und das ohne Extralicht!“) ging es dann ins Parc Fermé. Unsere schwedischen Freunde kamen mangels Übung - in Schweden wird in den Sommermonaten im Dunkeln selten oder nie gefahren - mit etwas über zwei Minuten Abstand hinter uns ins Ziel. Das provisorische Zwischenklassement sah uns knapp 20 Sekunden vor den Österreichern, die Schweden schon deutlich mit knapp vier Minuten dahinter. Leider steckte bei ihnen die Tücke im Objekt, die verwendete Zeitanzeige zum Start der Sonderprüfung hat zusätzlich zur angezeigten Zeit 5 rote Lampen, die hintereinander in den letzten 5 Sekunden zur vollen Minute aufleuchten. Das führte bei Ted und Katharina wohl zu Verwirrung und so bekamen sie für zwei Fehlstarts hintereinander 70 Sekunden Strafe auf ihre gefahrene Zeit dazu gerechnet :-(

Nach kurzer Nacht ging es morgens direkt nach dem Start in den Service, wo die Ursache des Lüfterausfalls beseitigt wurde (neue Sicherung und für alle Fälle ein kleines Überbrückungskabel) und es weiter außer bissel Scheibenputzen nix zu tun gab. Wetterapp prophezeit - ne ich glaub der nix mehr! sehr warm, etwas bewölkt, kein Regen... um es kurz zu machen, sie hatte recht! Aber die schwülen knapp 30 Grad in Verbindung mit langer feuerfester Unterwäsche, Overall und Helm gingen schon an Substanz und Kondition, lagen doch 8 Sonderprüfungen über den ganzen Tag verteilt vor uns. Die erste Runde mit zwei je zweimal zu befahrenden, über 12 Kilometer langen Sonderprüfungen war jedoch auch optisch ein Genuss - das steirische Alpenvorland, ein nördlicher Ausläufer der Lavanttaler Alpen, ähnelt unserem bayerischen Allgäu. Der Auftakt in WP 7 lief dann auch bereits ganz gut, fast 20 Sekunden vor dem 740er der Ritts und knapp 50 Sekunden vor den Schweden. WP 8 barg dann doch einige mit Vorsicht zu genießende Ecken im noch kühlen und mit glitschigen Überraschungsstellen gespickten Wald, so dass Team Ritt mit 14 Sekunden Vorsprung Morgenluft witterte ;-) Aber auf WP 7/9 zum zweiten Durchgang schlug das 240er-Imperium zurück und wir holten uns diese Zeit wieder ;-) Die letzte Sonderprüfung vor der langen Mittags-/Servicepause sah dann nochmals Team Mayr vor Team Ritt und Malm, nun lief das Ganze schon etwas routinierter ab und Siggi kam immer besser mit den Rennreifen klar.


In den nun folgenden knapp eineinhalb Stunden im Service war etwas Entspannung angesagt, der Kühlerlüfter funktionierte wunderbar mit der Überbrückungslösung, die Sicherung hatte nämlich gemeint „bist du zu stark, bin ich zu schwach....“ und nur ein Satz Bremsbeläge hinten wurde gewechselt (unser nun mehr als 30-jähriger Insider „für ein bis zwei WPs gehen die doch noch“ wurde neu aufgelegt - nein mein Schatz, da kommen neue rein!) Ted und Katharina bekamen noch weitere Infos über den folgenden Rundkurs als WP 11/13 - aha, man fährt also zweimal am Start vorbei...

Die letzte Runde wurde, ja die Wetterapp hatte recht, bei brütender Hitze in der körpereigenen Sauna sprich feuerfeste Klamotten eingeläutet mit besagtem Rundkurs, da gings dann schon ganz hurtig voran (okay, ist ein Volvo, aber langsam ist nun doch was anderes ;-) mit knapp 20 Sekunden vor dem österreichischen Juniorteam und 25 Sekunden vor den Schweden. Das Ehepaar Malm kam nun immer besser mit den ungewohnten Bedingungen und meinem Aufschrieb zurecht, schien dabei auch sichtlich Spaß zu haben! Der Rundkurs bei der Ortschaft Naas war dann noch ein kleines Sahnestückchen, jeweils als W11/13 in zweieinhalb Runden zu befahren. Das schien so das Terrain des Chauffeurs zu sein (rundstreckenverdächtig?), im zweiten Durchgang gleich mal 13 Sekunden schneller und rund eine halbe Minute Vorsprung auf Team Ritt und Malm! Da rutschte mir doch tatsächlich ein „nu mach mal halblang“ aus dem Vokabular meiner Mutter raus. Auf WP 12/14 hätte es zwar in den langen Bergaufstücken ein paar PS mehr haben dürfen, aber auch ältere Damen habens noch drauf und so erzielten wir jeweils vor den Österreichern und den Schweden die schnellste Zeit. Auf der Zielrampe lagen wir dann auf Platz 43 im Gesamt von 75 gestarteten Teams und Platz 3 in unserer Klasse - hinter zwei VW Golf Kitcars auf Rang 23 und 24 mit etwa der doppelten Motorleistung und der Hälfte der Lebensjahre unseres 240ers. Kurzes Resümee des Fahrers, „das Luftdruckprüfen vor und nach jeder WP ist etwas lästig, die Reifen waren perfekt, nur mein Hirn muss noch genauso schnell werden wie die“.

Der dritte der Junioren Austrian Challenge, Martin Ritt mit dem 740er, meinte im Interview mit einem österreichischen Magazin: „Erfreulich war auch die Vergleichsmöglichkeit mit zwei anderen Volvos - den Schweden hatten wir im Griff, aber der Deutsche war immer etwas schneller als wir. Das wurmt mich schon ein bisschen.“ Danke Martin!
Fazit: Unbedingter Wiederholungsfaktor! Auf gut österreichisch „ah geh, is eh kloar“... Nach kurzer Eingewöhnungszeit auf Asphalt Blut geleckt (und ja - auch die Beifahrerin!) - sowe16 einewe16.JPGQuadratkiste wie der Volvo kann sich ebenso auf Festbelag mit Spaß und Verve bewegen lassen! Die österreichischen Fans haben sich sicher gefreut, gleich drei Volvos auf einem „Haufen“ (für schwedische Verhältnisse wäre das ein kleines, versprengtes Grüppchen) über Berg und Tal toben zu sehen! Möglicherweise ist sogar der eine oder andere Start bei einem Lauf zur FIA European Historic Sporting Rally Championship geplant (@siggi - du hast es geschafft, steter Tropfen höhlt den Stein...;-) Die vorgeschriebenen Reifen gäbe es schon ausreichend auf dem Markt, da haben wir gleich zu Hause geguckt! Und in Italien oder Ungarn zu starten, von Finnland mal ganz zu schweigen, hätte auch was.Dazu auch mal das Gesamtalter von Crew und Fahrzeug nicht als Obergrenze festzulegen sondern locker zu unterschreiten wäre ein nette Dreingabe!

P.S. Bemerkungen der Zuschauer wie etwa „Ohhh, so einen hat mein Vater/Opa/Onkel auch mal gefahren!“ werde ich in Zukunft - vielleicht ;-) so beantworten - (Zitat Luke Skywalker) - “ich bin dein Vater....“

Text und Bilder von "Die Mayrs"